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Projekt-Management im Sozialwesen

Themen > Weiterbildung und Beratung > Mythos der Jugendkriminalität

© Die Südostschweiz 3. April 2003; Seite 2

Region Gaster/See

 

Mythos der Jugendkriminalität

 

Lehrerfortbildung der Oberstufe Eschenbach mit Referat von Franz Kohler

 

Die Hintergründe des Jugendextremismus kennen lernen und die eigene Handlungsfähigkeit erhalten oder ausbauen, stand bei der gestrigen Lehrerfortbildung der Oberstufe Eschenbach im Zentrum. Referent Franz Kohler entpuppte sich als Experte auf diesem Gebiet.

 

von Renate Ammann

 

Mit dem aufschlussreichen Fortbildungsnachmittag versprach Schulleiter Rolf Schir keineswegs zu viel. Den Sozial- und Gemeinwesenarbeiter Franz Kohler stellte er als den richtigen Mann am richtigen Ort vor. Und dass in Eschenbach «Feuer im Busch brenne», davon hatte der Referent bereits Kenntnis. Auf alle Fälle wolle er beim Löschen behilflich sein.

 

In seinen Aussagen schöpfte er von Beginn an aus dem Vollen. «Fremdes ist im Alltag immer wieder beunruhigend, macht neugierig, ist exotisch. Man wehrt es ab oder öffnet sich ihm.» Was das Fremde sei, lasse sich nur kontextuell bestimmen. Beispielsweise könnten Ausländer die Position des Fremden übernehmen, aber auch Randgruppen, die nicht dem vorherrschenden Ideal entsprechen. Gängige Muster der Reaktion auf Schwierige sind die Nichtreaktion oder Banalisierung oder die Überreaktion, die Dramatisierung. So oder so wird die quantitative Zunahme und qualitative Verrohung der Jugendkriminalität als Instrument anderer gesellschaftlicher Vorgänge zum eigentlichen Mythos gemacht.

 

Schicksalsgemeinschaft

In der Phase der Identitätsbildung spielt der Ablösungsprozess vom Elternhaus eine ebenso grosse Rolle wie die kommunikative Orientierung mit Werten und Normen des erwachsenen Umfeldes. «Identität muss aus einer Unmenge von Entscheidungsoptionen herausgefiltert und erarbeitet werden», erklärt der Redner, und häufig sei eine «Schicksalsgemeinschaft» miteinander auf der Suche nach Orientierung. Der Freizeitbereich spiele dabei eine enorme Rolle, sei es doch der einzige Ort ohne Leistungsverpflichtung, ein Experimentierraum für Grenzerfahrungen ohne strukturelle Rahmenbedingungen. Häufig sei dieser Weg allerdings mit Stolpersteinen behaftet, wenn das Fremde als Behinderung der eigenen Identität fokussiert werde.

 

Erkennungsmerkmale des Jugendextremismus finden sich nach Meinung von Kohler unter anderem in der öffentlichen Selbstdarstellung und der eskalativen Dynamik im Umgang mit Gegnern. «Die Provokation des Gegners und der Öffentlichkeit ist als Appell zu verstehen und ruft nach Dialogen mit öffentlichen oder Mandatsträgern.».

 

Anerkennung der Werte

Mit einem gerüttelten Mass an Vorschlägen wartete Franz Kohler bei der Prävention auf, in die Eltern ebenso eingebunden werden sollen wie der Sozialarbeiter, die Schule, Polizei und Politiker. Dabei gehe es in erster Linie um den Abbau von Berührungsängsten. Und wenn er für die Zusammenarbeit mehrerer Disziplinen plädiere, sei dies nicht als Ausdruck eigener Hilflosigkeit im Umgang mit den Zielgruppen zu werten, sondern als Erweiterung der eigenen Handlungskompetenz durch die Abrundung mit externen Potenzialen. Zur Grundhaltung im Umgang mit Schwierigen gehöre die Anerkennung des Wertes von Gleichaltrigengruppen und dass die eigenen Werte und Normen zunehmend an Bedeutung verlieren würden. «Die eigenen Ängste oder Bedürfnisse sollen sogar in die Auseinandersetzung eingebracht werden, dürfen aber nicht zur bestimmenden Grösse von letztlich gemeinsam zu treffenden Entscheidungen werden.» Von angeregten Diskussionen begleitet, versuchten die Teilnehmer, das Gehörte im anschliessenden Workshop in den Alltag umzusetzen.

 

 

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