Referat
auf Einladung des Gesundheitsforum Rheinfelden
am 22. März 2002 im Schützen Rheinfelden
Männergesundheit
7 Jahre weniger Leben
was sind die Gründe? – was sind die Möglichkeiten?
Sehr geehrte Damen und Herren
Mir kommt heute Abend die Aufgabe zu, Fragen zur Gesundheit von Männern aufzuwerfen, der Frage nachzugehen, was die (reduzierte) Männergesundheit und ihre geringere Lebenserwartung ausmacht sowie mögliche Antworten darzulegen, wie zur Gesundung der Männer beigetragen werden könnte.
Keine einfache Aufgabe, denn erst jüngst wird die Gesundheit der Männer zu einem Thema, welches auch von der (Sozial-) Forschung aufgenommen wird. Wir wissen noch wenig über Männer und ihre Gesundheit. Erlauben Sie mir an dieser Stelle den Hinweis, dass demgegenüber die Frage der Gesundheit von Frauen (Menstruation, Gynäkologie, aber auch Forschungen im Bereich der weiblichen Formen der Krebses) schon viele Jahre Gegenstand von Forschungen ist. Ist dies dadurch zu erklären, dass Männer Forschung bisher bestimmt und geprägt haben und noch immer bestimmen?
Durchforste ich die Publikationen zum Thema Mann und seiner Gesundheit, stosse ich auf folgende beliebige Auswahl von Schlagzeilen in den Zeitungen der letzten Wochen:
Ich komme zum Schluss: «Hilfe, ich komme keinen Schritt weiter in der Erklärung, weshalb es um die Männergesundheit nicht zum Besten steht».
Suche ich alsin der Fachliteratur zum Thema Mann weiter, vielleicht finden sich dort Erklärungen:
Dies sind einige der Titel, die ich in jungen Jahren – ist noch gar nicht slange her - , selbst auf der Suche nach meinem Mannsein mir zu Gemüte geführt habe. Sie haben mehr Fragen aufgeworfen denn beantwortet, sbin ich denn auf die Suche gegangen in Fachliteratur von Frauen über die Männer und habe gelesen:
Wieder die Erkenntnis: Mehr neue Fragen, denn Antworten auf meine Fragen.
Mehr Fragen als Antworten auf die Frage der Männergesundheit und ich soll heute Abend zu Ihnen als Experte für diese Frage sprechen? Leiber Franz, dies ist aber keine Legitimation!
Hilft denn mein beruflicher Werdegang diese Legitimation herzustellen?
Seit einem halben Jahrzehnt bin ich nun selbstständig mit Projektmanagement im Sozialwesen, legitimiert mich dies? Was habe ich denn getan im Bereich der Männergesundheit?
Vieles davon legitimiert ein wenig, dennoch bin ich unsicher, ob ich Ihnen heute Abend Ihr Wissen zum Thema Männergesundheit erhellen kann und Ihre Möglichkeiten im Umgang mit der Gesundheit von Männern, falls Sie eine Frau sind oder Ihrer eigenen Gesundheit, falls Sie Mann sind, erweitern helfen kann.
Dennoch, ich nehme die Herausforderung gerne an und ich hoffe, es gelingt mit heute Abend, zumindest eine Annäherung an die Beantwortung dieser und Ihrer Fragen zu erreichen.
Im vergangenen Jahr durfte ich teilnehmen (und einen Workshop leiten) am 12. Zürcher Präventionstag, veranstaltet vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich und Radix, Stiftung für Gesundheitsförderung. Dieser Tag stand unter dem Thema «Gesundheit, Gesundheitsförderung und Lebensstil von Männern». Der Morgen dieses Tages stand unter theoretischen Inputs, auch epidemiologische Fakten gelangten zur Darstellung und es wurde sehr bald deutlich: Die reduzierte Lebenserwartung von Männer um 7 Jahre gegenüber den Frauen ist weder medizinisch noch genetisch zu begründen; im Gegenteil, aufgrund spezifisch weiblicher Belastungen mit den hormonellen Schwankungen im Verlauf des Zyklus und des Lebens und den körperlichen Belastungen durch Schwangerschaft und Gebähren müsste medizinisch und genetisch eigentlich eine Reduktion der weiblichen Lebenserwartung resultieren.
Was sollen denn die Gründe sein, dass das zu Erwartende nicht eintrifft und das Unerwartete eintrifft? In der Tagung wurde vor der Mittagspause die Hypothese entwickelt, dass die herabgesetzte Lebenserwartung von Männern in geringer ausgebildeten Sozialen Kompetenzen von Männern zu suchen sei.
Dieser Frage geringer herausgebildeter Sozialer Kompetenzen möchte ich nun nachspüren.
Lassen Sie mich zunächst erläutern, welche Leitgedanken und welche praktischen Erfahrungen meinen anschliessenden Versuch einer Diagnose der reduzierten Lebenserwartung von Männern leiten:
Als Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Jugendfragen (EKJ) beschäftige ich mich seit längerer Zeit sowohl mit der Thematik Jugendgewalt, wie dem Rechtsextremismus, der Integration von jungen Migrantinnen und Migranten und den geschlechterspezifischen Identitätsbildungsprozessen von heranwachsenden Mädchen und Burschen.
Im Rahmen der Beschäftigung mit dem Thema Jugendgewalt musste sich die EKJ mit der Frage der Definition von Gewalt befassen. Hier kam uns einer der Referenten einer NFP 40-Tagung (Prof. Edgar Forster, Salzburg) zum Thema «Jugendgewalt ein Mythos?» zur Hilfe, welcher eine solche Definition als Folge seiner Wiener Untersuchung zum Thema «was hat Fremdenfeindlichkeit mit Männlichkeit zu tun?» verfasste. In seiner Untersuchung kam er zur Schlussfolgerung, dass sowohl Männlichkeit wie Fremdenfeindlichkeit auf dem selben Identitätsbildungsmechanismus beruhen; der Identitätsproduktion (von sozialer Identität) durch strikte Abgrenzung und Herabsetzung des «Fremden»; hier des «Weiblichen», dort des ethnisch Fremden. Er folgert daraus: Kommunikation ist zu verstehen als das dauernde Aushandeln von flüchtigen Identitäten, (das heisst dass ich meine soziale Identität mit jeder persönlichen Begegnung neu schaffe, durch Anlehnung an Ideen, Vorstellungen und Überzeugungen von meinem Gegenüber und durch Ausdifferenzieren von dessen Vorstellungen). Forster definiert alsdann, dass Gewalt dort ins Spiel komme, wIdentitätsfixierungen ein Aushandeln dieser flüchtigen (sozialen) Identitäten nicht mehr zulassen (d.h. wenn der eine Gesprächspartner dem anderen seine Überzeugungen überzustülpen trachtet, ist Gewalt im Spiel).
Die Gewaltdefinition von Forster überzeugt mich persönlich v.a. deshalb, weil sie uns zwingt, nicht nur den Blick für Gewaltaspekte einer Zielgruppe (z.B. Rechtsextreme, Linksextreme, ethnische Gruppen, Männer) zu öffnen, sondern uns zugleich auffordert, uns mit der Frage auseinanderzusetzen, inwiefern unsere eigenen Bilder über die Zielgruppen durch Identitätsfixierungen unsererseits und Problemzuschreibung an die Adresse der «anderen» selbst zum Gewaltphänomen werden. Sie verstehen nun, weshalb ich eingangs erläutert habe, dass der Versuch einer Diagnose reduzierter Männergesundheit nicht leicht fallen kann; will ich Bilder zur Lebenswelt, zur Selbstdefinition und zum Sein von Männern sowie dessen Schattenseiten entwickeln, habe ich mich selbst laufend zu überprüfen, ob denn meine Sichtweisen nicht in sich selbst wiederum meiner eigenen Identitätsproduktion dienen durch Identitätsfixierungen und Problemzuschreibungen an die Adresse derer, die ich beobachte und somit selbst Gewalt ausübe.
Auf der Basis meiner Praxis (v.a. Soziales Trainingsprogramm sowie Freierbildung) komme ich demgegenüber zum Schluss, dass ein Versuch, die männlichen Problemverhalten durch die Analyse der Männer selbst und ihrem persönlichen Umfeld (Partnerin, Eltern) zu klären, uns nicht weiter führen kann. Ich gelange zur Einsicht, dass männliches Verhalten (Soziale Identität) sich vor allem in Räumen entwickelt und verfestigt, welche frei sind von den primären Beziehungen, alsim Austausch mit anderen Männern und in den öffentlichen Rollen von Männern. Ich erachte es deshalb als unabdingbar, der Frage von männlichem Problemverhalten in der Wechselwirkung mit öffentlichen Reaktionen nachzugehen, hier orte ich ein massgebliches Defizit im öffentlichen Diskurs zur Thematik.
Die Wechselbeziehung zwischen männlicher sozialer Identität und öffentlichen Reaktionen möchte ich Ihnen nun nahe bringen, ich versuche dies sec, aber pointiert und werde mit meinen Erläuterungen vermutlich viele Fragen aufwerfen. Dies ist auch Absicht, ich möchte der Diskussion im zweiten Teil der Veranstaltung Zeit verschaffen und Stoff liefern.
Wenn ich nun versuche, den Wechselwirkungen zwischen männlicher Identität und öffentlichen Reaktionen zu nähern, smuss ich mir zunächst vergegenwärtigen, in welchen (von einer Öffentlichkeit geprägten) Rahmenbedingungen männliche Jugendliche auf dem Weg vom Kind zum Erwachsenen sich eine eigene und auch eigenständige soziale Identität schaffen und wie sich diese im Verlauf des erwachsenen Männerlebens fortbildet.
Drei Aspekte sind meiner Erkenntnis nach hierfür von zentraler Bedeutung:
1. Die generell zu beobachtende Entwicklung des Verhältnisses vom Individuum zur Öffentlichkeit in unserer Gesellschaft; dies macht seine soziale Identität aus.
2. Die Gruppe von Gleichaltrigen oder Gleichgesinnten als Sozialisierungsinstanz und
3. Die Bedeutung von Freizeit in unserem gesellschaftlichen Umfeld; dies weil sich die krankmachende Orientierungen von Menschen – aufgrund meiner Erfahrungen – fast ausschliesslich in ihrer Freizeit herausbilden
Schauen wir uns diese Aspekte mal etwas genauer an:
Soziale Identitätsbildung ist zu verstehen als
Die Rahmenbedingungen von heute, in denen dies geschieht, lassen sich umschreiben als eine Pluralisierung der Lebenswelten bei gleichzeitigem Verlust von sozialen Klammern. Pluralisierung meint, dass ich heute aus einer Vielzahl von Lebensdeutungsmodellen mein Eigenes herausfiltern muss, unter sozialen Klammern versehe ich kollektive Orientierungen, welche zur Identitätsbildung oder Sinnstiftung herangezogen werden. Das waren früher mal die Religion, die Zugehörigkeit zu einer Partei oder einem Verein. Sie stimmen mit mir sicher überein, dass diese Bindungen heute im Vergleich zu von noch 30 Jahren deutlich abgenommen haben und somit an Bedeutung für die Identitätsbildung verloren haben.
Für Heranwachsende und für Männer heisst dies in der Folge:
In diesem Umfeld, welches unsicher macht, weil viele Möglichkeiten, aber wenig Orientierungshilfen bestehen, gewinnt die Gruppe von Gleichaltrigen oder Gleichgesinnten an Bedeutung. Sie ist demnach:
Daraus lässt sich auch erklären, weshalb die dramatischsten Formen jugendlichen Extremismus in Gruppen entstehen, denken sie an den Mord auf dem Bödeli im letzten Jahr in Interlaken, die 100 Schüsse auf die Alternativ-WG Solterpolter durch Rechtsextreme in Bern, ebenfalls im letzten Jahr, aber auch an die Begleiterscheinungen des antifaschistischen Abendspaziergangs, wie letzten Samstag in Bern oder - diese Grossereignisse nachahmend - ein Überfall von jugendlichen Extremisten auf ein links identifiziertes Jugendhaus im Kanton Bern. Aber auch bei erwachsenen Männern lassen sich solche Formen des Extremismus beobachten, denken Sie an pädophile Exzesse, den Menschenhandel, an ethnische Säuberungen oder an kriegerische Ereignisse überhaupt.
Zur Bedeutung der Freizeit:
Sie ist für Heranwachsende und für erwachsene Männer einziger Ort:
Gerade für Männer stellt die Freizeit zudem den Ort dar, wo Emotionen unkontrolliert zugelassen werden können. Denken sie an Fussballspiele, an Massenbesäufnisse an Treffen von Rechtsextremen, Stammtischrunden mit ihren Zoten gegen Frauen, Ausländer, Schwule etc, aber auch an die Eskalationen von «Autonomen» an Demonstrationen von linker Seite, oder ein Beispiel aus einem meiner weiteren Tätigkeitsgebiete: Wirtschaftsführer und Ärzte, welche auf der Suche nach Sex ohne Kondom auf dem Drogenstrich anzutreffen sind.
Als Stolpersteine auf dem Weg zur integrierten (auf positiven Werten beruhenden) sozialen Identität sind zu sehen:
Keine Grenzziehung gespiegelt erhalten - oder anders gesagt nicht in Dialog sein mit einer «Öffentlichkeit» – im Rahmen solcherlei Verhalten kann dann zu folgenden Konsequenzen für heranwachsende Jugendliche aber auch für erwachsene Männer führen:
Ich möchte an dieser Stelle anführen, dass mir persönlich (vielleicht, weil ich Mann bin) ein nach aussen gerichtetes Aggressionsverhalten bei weitem lieber ist, als ein nach innen gerichtetes; ersteres zielt nach wie vor auf den Dialog, da kann ich als Sozialarbeiter und Mann was tun, zweiteres zielt demgegenüber auf Entziehen aus dem Dialog, da komme ich nicht mehr an die Person heran.
Welche öffentlichen Reaktionen sind heute auf das Problemverhalten Jugendlicher und erwachsener Männer – die Provokation - zu gewärtigen?
Nach meiner Beobachtung, sind in erster Linie die beiden Extreme möglicher Reaktion zu beobachten:
Diese Feststellung (entweder Nicht- oder Überreaktion) mache ich sowohl bezüglich elterlicher Reaktionen auf Provokationen Heranwachsender, schulischer genaus(beide reagieren oft slange nicht, bis es zu spät ist oder anders gesagt die Schwierigkeiten vor der Öffentlichkeit nicht mehr zu verbergen sind), aber auch politische, verwalterische und publizistische Reaktionen fehlen zumeist völlig oder erfolgen überzogen, sie erfolgen ebenfalls meist spät und dann mit aller Härte.
Sie erlauben mir, an dieser Stelle nochmals zum Beginn meiner Ausführungen zurückzugehen: Solchen Reaktionen – sowohl der Banalisierung wie der Dramatisierung ist nun gemäss Gewaltdefinition von Forster zu attestieren:
Beide Reaktionen sind nun aber geeignet, zur Eskalation von aggressivem Verhalten beizutragen, können demnach den Extremismus und die Destruktivität gar noch stimulieren:
Ich habe nun versucht, Ihnen die Gründe für die reduzierte Lebenserwartung von Männern darzulegen, swie ich sie sehe.
Und nun bin ich Ihnen schuldig, auch noch Ideen darzulegen, wie wir als Öffentlichkeit, Sie als Mann, Sie als Frau dazu beitragen können, die Gesundheitsrisiken von Männern zu reduzieren, ihre Lebenserwartung zu erhöhen. Lebenserartung dürfte für das, was ich meine, das falsche Wort sein; wir müssten wohl eher davon sprechen, die Lebensqualität der Männer szu erhöhen, dass sich diese auch in ihrer Lebenserwartung niederschlagen kann.
Gehen wir zunächst der Frage nach, was denn die Möglichkeiten öffentlicher Reaktionen sind. Ich stelle diesen Aspekt voraus, weil ich im Rahmen meiner Diagnose festgestellt habe, dass sich das gesundheitsgefährdende Verhalten von Männern in erster Linie dort herausbildet und verfestigt, wMänner auf Distanz zu ihren Primärbeziehungen sich bewegen, alsin der Freizeit und am Arbeitsplatz vor allem.
Welche öffentlichen Reaktionen wären denn geeignet, zur Gesundheitsförderung von Männern beizutragen?
Als Grundhaltungen in solcher Intervention und auch Mediation mit Männern mit gesundheitsgefährdendem Verhalten muss gelten:
Zudem bedarf es:
Lassen Sie mich das, was ich meine, anhand von zwei eigenen Praxisbeispielen erläutern, der Niederschrift einer Begegnung mit einem jungen Rechtsextremen und der Darstellung einer Begegnung mit einer Prostituierten im Rahmen meiner Milieurecherchen in Zürich letzten Monat.
Beispiel Anlaufstelle Rechtsextremismus Baselland: Ein paar Tage nach der Medienkonferenz des Kantons Basel-Landschaft über die Regierungsratsbeschlüsse zur Rechtsextremismusbekämpfung erfolgte auf dem Natel der Anlaufstelle folgende Kommunikation via SMS:
Im 1-stündigen Gespräch streifen wir folgende Themen:
Fazit: .XY leidet unter seinem «Ausgegrenztsein», möchte derzeit noch nicht aussteigen aus der Szene aber aus den Gewaltprozessen, denen er selbst ausgesetzt ist (Verhöhnung durch Ausländer als Nazi, Schlägereien). Wir verabschieden uns gelöst, er meint, es sei toll, mal verstanden worden zu sein.
2. Beispiel: Begegnung mit einer Prostituierten im Rahmen meiner Milieurecherche in Zürich zur Verbreitung von Ohne-Kondom-Angeboten und Nachfragen. Ich habe in diesem Projekt den Auftrag, in einem ersten Schritt die Motive von Freiern, Prostituierten und BetreiberInnen prostitutiver Angebote für die Kondomvermeidung zu ergründen, um in einem zweiten Schritt geeignete Massnahmen zu entwickeln, welche geeignet sind, auf die konsequente Kondomverwendung hinzuwirken:
Vorbereitend hatte ich mich im Internet umgesehen und bin auf eine Seite gestossen, einem Forum, wo Männer anonym miteinander über die Vorzüge und Nachteile von Sexangeboten kommunizieren, aber auch über die körperlichen Attribute und (sex-) fachlichen Kompetenzen einzelner Prostituierten. Dort war auch eine Seite zu finden über ein tabuloses Privat-Girl, welches gerne alles machen lässt, ich zitiere aus der Botschaft eines dieser Männer: «Lässt sich z.B. mit der Faust ficken, macht Küssen, blasen mit schlucken, Anal und GV (mit), lässt sich in den Mund pissen... War schon 3-mal bei Ihr und immer sehr zufrieden...Wers noch nicht erlebt hat: Ihre Nummer ist xxx xxx xx xx. Sie ist nur montags, mittwochs und freitags besuchbar.» Ich habe auf diese Telefonnummer angerufen und wurde per Band gebeten, meine Nummer zu hinterlassen, es würde in Kürze zurückgerufen. Bald erhielt ich ein SMS folgenden Inhaltes: «Hi + danke f dein Interesse! Die versaute SCHLAMPE EVE will morgen MI oder am FR dein Sperma schlucken usw! Ruf doch einfach an MI/FR 11.30-20 h auf xxx xxx xx xx». Am Freitag habe ich dann angerufen und auf die Bandansage wieder meine Nummer hinterlassen. Wenig später hat ein Mann zurückgerufen und er hat mir die Vorzüge dieser Dame schmackhaft gemacht. Nachdem ich mein Interesse an einem Treffen von einer halben Stunde mit dieser Dame kundgetan hatte, hat mir vorgeschlagen, dass er mir kurz nach meinem Eintreffen in Zürich nochmals telefoniert, um mich zu dieser Frau zu lotsen. Der Anruf kam und ich wurde in ein Hotel gelotst, wich an die Türe von Zimmer xx klopfen sollte. Die Dame hat mir die Tür geöffnet, eine junge Frau, welche einen sehr verlebten Eindruck auf mich machte, ihr fehlten auch einige Zähne. Wir sind uns denn auch schnell handelseinig geworden, eine halbe Stunde zu Fr. 300.-, alles inklusive was die Sexpraktiken anbelangt, Französisch exklusiv Kondom. In diesem Moment habe ich mich zu erkennen gegeben als Projektleiter Don Juan, einem Projekt der HIV/Aids-Prävention, welches das Freierverhalten zu beeinflussen sucht und nachgefragt, ob sie denn keine Angst habe. Sie sagte, doch sie habe Angst, als sie vor 10 Monaten begonnen hatte musste sie sogar GV und Analverkehr ohne Kondom machen, heute mache sie nur noch Französisch ohne bis zum Schluss, aber das Sperma würde sie nicht mehr schlucken. Eigentlich möchte sie auch dies nicht, sie habe ein sechsjähriges Kind, aber der Chef bestehe darauf. Ich zücke meine Broschüre über sexuell übertragbare Krankheiten und löse damit ihr Interesse aus. Sie ruft – scheinbar üblich – ihren Chef an und gibt durch, dass das Treffen zustande komme und nimmt nach meiner Einschätzung somit in Kauf, dass sie Ärger kriegt mit dem Chef, denn das erwartete Geld wird ja ausbleiben. Mit Interesse stellt sie fest, dass wir diese Broschüre auch in französischer Sprache haben und unentgeltlich zur Verfügung stellen. Sie bestellt diese und weiteres Material, kann aber keine Lieferadresse angeben, da sie Französin sei und jeweils drei Mal die Woche nach Weisung des Chefs einreise und in unterschiedlichen Hotels absteige. Wir vereinbaren, dass ich sie anrufe wenn das bestellte Material vorliegt – sie gibt mir ihre persönliche Handynummer – und sie dieses dann bei meiner Auftraggeberin in Zürich abholen kann. Mein Fazit aus dieser Begegnung, sie ist eine von rund 30 solcher Begegnungen und wird als Entscheidungsgrundlage für die Diskussion um die Weiterführung mit meiner Auftraggeberin dienen: Wollen wir auf das Freier(Kondom)verhalten Einfluss gewinnen, skann diese Frau nicht als Partnerin gewonnen werden, weil sie fremdbestimmt handelt. Wir müssen alsnach Möglichkeiten suchen, wie wir sie zu einer selbstbestimmten Person werden lassen können. Hier ist bei ihrem Chef anzusetzen. Ihn schlage ich vor, auch noch persönlich zu kontaktieren, um in Erfahrung zu bringen, ob er im Dialog von seiner Grundhaltung abzubringen ist. Ist dies nicht möglich, smüssen wir die Frage einer strafrechtlichen Intervention ins Auge fassen. Er vollzieht den Straftatbestand der Nötigung. Das Problem der derzeitigen Gesetzgebung ist nun aber, dass ein zur Rechenschaft ziehen nur dann möglich ist, wenn die Prostituierte zu einer Zeugenaussage bereit ist. In vielen Fällen ist deshalb bisher die strafrechtliche Verfolgung gescheitert. Unsere Strategie müsste demnach sein, das durch die persönliche Begegnung mit dieser Frau im Ansatz gebildete Vertrauen weiter aufzubauen und zugleich der Frage ihres Schutzbedürfnissen adäquate Antworten geben zu können. Eine weitere Möglichkeit pädagogischer Intervention ergibt sich im Internet: Hier kann durch eine konstruktiv-konfrontative Teilnahme an der Kommunikation in solchen Foren, aber auch durch den persönlichen (Internet-)Dialog mit Einzelnen Forumsteilnehmern auf das Kondomverwendungsverhalten von Freiern Einfluss genommen werden. Wie gesagt, beide Schlussfolgerungen und Überlegungen hinsichtlich geeigneter Massnamen sind derzeit noch Gegenstand der Diskussion mit der Auftraggeberin und ihren Partnerorganisationen.
Was sind nun die Möglichkeiten, als Mann selbst zur eigenen Gesundheit, zur eigenen Lebensqualität beizutragen, beziehungsweise als Partnerin?
Diese Aspekte werde ich im Referat nur stichwortartig anreissen, nicht detailliert ausführen, ich gehe davon aus, dass hier der Stoff für die anschliessende Diskussion liegt und wir diese Aspekte dort weiter vertiefen können.
Als Mann habe ich die Möglichkeit zur eigenen Lebensqualität und somit zur Steigerung meiner Lebenserwartung beizutragen:
Als Partnerin habe ich die Möglichkeit zur Lebensqualität meines Partners und somit zur Steigerung seiner Lebenserwartung beizutragen, sie sehen, ich wiederhole mich:
Diese Aufgabe ist keine einfache, das weiss ich aus der Erfahrung meiner langjährigen pädagogischen Tätigkeit. Selbst mir gelingt es nicht immer, diesen Grundhaltungen nachzuleben, vor allem dann oft nicht, wenn meine (emotionale) Betroffenheit mit ins Spiel kommt.
Ich möchte nun den Raum öffnen für die Diskussion und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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